Wann endet der besondere Kündigungsschutz der Belegschaftsvertreter bei Funktionsunfähigkeit des Betriebsrats?
Betriebsratsmitglieder genießen von Gesetzes wegen einen besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz. Dieser endet grundsätzlich drei Monate nach Erlöschen der Mitgliedschaft zum Betriebsrat. Regelmäßig erlischt die Mitgliedschaft mit dem Ende der jeweiligen Funktionsperiode des Betriebsrats. Der Schutz geht jedoch auch dann verloren, wenn die Tätigkeitsdauer des Betriebsrats vorzeitig endet. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn die Zahl der Betriebsratsmitglieder unter die Hälfte fällt, sodass der Betriebsrat funktionsunfähig wird. Dabei erlischt der besondere Bestandschutz für alle Betriebsratsmitglieder. In einer aktuellen Entscheidung hatte der OGH zu beurteilen, ob bzw. wann der besondere Kündigungsschutz des Betriebsratsvorsitzenden im Zusammenhang mit dem Rücktritt von Betriebsratsmitgliedern geendet hat (OGH 03.05.2021, 8 ObA 19/21h).
Im konkreten Fall erklärten sechs Betriebsratsmitglieder bzw. Betriebsratsersatzmitglieder schriftlich ihren Rücktritt gegenüber dem Geschäftsführer der beklagten Gesellschaft. Der Geschäftsführer leitete die Rücktrittsschreiben einige Monate später an den Betriebsratsvorsitzenden weiter und sprach ihm gegenüber die Kündigung aus.
Der Kläger vertrat im Verfahren die Ansicht, dass sein Arbeitsverhältnis nach wie vor aufrecht sei, da sein besonderer Bestandschutz nach wie vor bestehe und die Kündigung ohne die vorherige Zustimmung des Gerichts erfolgte.
Wenn die Rücktritte wirksam gewesen wären, hätte der Betriebsrat nur mehr aus dem Betriebsratsvorsitzenden bestanden und wäre somit funktionsunfähig geworden. Der besondere Bestandschutz aller Betriebsratsmitglieder (also auch des Betriebsratsvorsitzenden, der zu keinem Zeitpunkt eine Rücktrittserklärung abgegeben hatte) wäre dann nach Ablauf von drei Monaten weggefallen.
Nach der Rechtsprechung muss ein Betriebsratsmitglied für einen wirksamen Rücktritt diesen gegenüber dem Betriebsrat als Kollegium, dem Betriebsratsvorsitzenden oder der Belegschaftsversammlung erklären. Im konkreten Fall waren die Rücktrittschreiben aber an den Geschäftsführer der (Arbeitgeber-)Gesellschaft adressiert.
Der OGH kam zum Ergebnis, dass keine wirksamen Rücktritte vorliegen, da sie nicht gegenüber dem richtigen Empfänger erklärt wurden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Rücktrittschreiben dem Betriebsratsvorsitzenden vom Geschäftsführer der Gesellschaft weitergeleitet wurden, da eine wirksame Erklärung erfordert, dass sie auch an den richtigen Empfänger gerichtet war (was hier nicht der Fall war). Der Betriebsrat ist daher durch die „Rücktrittserklärungen“ nicht funktionsunfähig geworden und die Tätigkeitsdauer hat daher nicht geendet. Folglich ist auch der besondere Kündigungsschutz des Vorsitzenden nicht weggefallen und für die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses wäre die vorherige Zustimmung des Arbeits- und Sozialgerichts erforderlich gewesen.
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