Neues zur Corporate Governance und Vergütungspolitik von Kreditinstituten
Die Richtlinie 2019/878/EU („CRD V“) hat zu zahlreichen Neuerungen in der Richtlinie 2013/36/EU („CRD IV“) geführt. Der österreichische Gesetzgeber hat die Änderungen auf EU-Ebene durch die aktuellste BWG-Novelle (BGBl I 2021/98) nun auch für Österreich nachvollzogen. Diese betreffen unter anderem Organgeschäfte, Anforderungen an AR-Mitglieder und Mitglieder sonstiger Aufsichtsorgane sowie die Vergütungspolitik.
Adressaten
Primäre Adressaten der Novellierung sind Kreditinstitute. Die CRD V hat jedoch neben zahlreichen Änderungen auch zu dem Paradigmenwechsel geführt, dass nunmehr auch (gemischte) Finanzholdinggesellschaften direkte Normunterworfene der CRD IV und – in entsprechender Umsetzung durch den österreichischen Gesetzgeber – des BWG sind. Insbesondere sind (gemischte) Finanzholdinggesellschaften, die von der FMA konzessioniert wurden, für die Einhaltung der Bestimmungen des BWG, die für die Kreditinstitutsgruppe gelten, verantwortlich.
Neue Dokumentationspflichten für bestimmte Organgeschäfte
In Umsetzung des neuen Art 88 Abs 1 UA 4 und 5 CRD IV wird erstmals eine Dokumentationspflicht hinsichtlich der Vergabe von Krediten an folgende Personen vorgesehen (§ 28 Abs 6 BWG):
- Geschäftsleiter des Kreditinstitutes,
- AR-Mitglieder oder sonstiger nach Gesetz oder Satzung zuständiger Aufsichtsorgane (zB Sparkassenrat) des Kreditinstitutes,
- Ehegatten, bestimmte Lebensgefährten, Kinder, Wahl- und Pflegekinder oder Elternteile einer der in den Z 1 oder 2 genannten Personen,
- gewerbliche Unternehmen,
- an denen eine der in den Z 1 bis 3 genannten Personen eine qualifizierte Beteiligung iHv 10% oder mehr des Kapitals oder der Stimmrechte hält oder
- in dem eine der in den Z 1 bis 3 genannten Personen wesentlichen Einfluss nehmen kann oder
- in dem eine der in den Z 1 bis 3 genannten Personen der Geschäftsleitung, dem AR oder dem höheren Management angehört.
Diese neu eingeführten Dokumentationspflichten müssen auf jene Kreditentscheidungen angewendet werden, die nach dem 28. Mai 2021 getroffen werden. Das betrifft sowohl Entscheidungen hinsichtlich der Vergabe gänzlich neuer Kredite als auch Entscheidungen hinsichtlich bloßer Anpassungen bzw Abänderungen von bereits vor dem 29. Mai 2021 bestehenden Kreditverträgen.
Präzisierung hinsichtlich der Anforderung an die Unvoreingenommenheit von AR-Mitgliedern und Mitgliedern sonstiger Aufsichtsorgane
Bisher hatte der AR-Vorsitzende über geordnete wirtschaftliche Verhältnisse zu verfügen und es durften keine Tatsachen vorliegen, aus denen sich Zweifel an seiner persönlichen Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit und Unvoreingenommenheit für die Ausübung der Funktion als Vorsitzender des AR ergeben (§ 28a Abs 3 Z 2 BWG). Identes galt bisher auch für sonstige AR-Mitglieder oder Mitglieder des sonst nach Gesetz oder Satzung zuständigen Aufsichtsorgans (zB Sparkassenrat) (§ 28a Abs 5 Z 2 BWG).
In Umsetzung des neuen Art 91 Abs 8 S 2 CRD IV wird nun hinsichtlich der erwähnten Unvoreingenommenheit präzisiert, dass die Mitgliedschaft bei einem mit dem Kreditinstitut verbundenen Unternehmen oder einer mit dem Kreditinstitut verbundenen Rechtsperson für sich alleine keine Tatsache ist, die Zweifel an der Unvoreingenommenheit rechtfertigt (§ 28a Abs 3 Z 2 und Abs 5 Z 2 BWG).
Vergütungspolitik
In Umsetzung der neuen Art 92 Abs 2 und 3 sowie Art 109 Abs 4 und 5 CRD IV werden die Anforderungen an die Vergütungspolitik detaillierter geregelt (siehe § 39b BWG).
Grundsätze
Wie schon bisher wird vorgesehen, dass bei der Festlegung und Anwendung der Vergütungspolitik und -praktiken einschließlich der Gehälter und freiwilligen Rentenzahlungen für Mitarbeiterkategorien, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil des Kreditinstituts auswirkt, Kreditinstitute die in Anlage zu § 39b BWG genannten Grundsätze auf eine Weise anzuwenden haben, die ihrer Größe, ihrer internen Organisation und der Art, dem Umfang und der Komplexität ihrer Geschäfte sowie den Mitarbeiterkategorien, der Art und der Höhe ihrer Vergütung sowie der Auswirkung ihrer Tätigkeit auf das Risikoprofil angemessen ist (§ 39b Abs 1 BWG).
Neu ist, dass die Regeln zur Vergütungspolitik und -praktiken auch auf Mitarbeiter von Instituten einer Kreditinstitutsgruppe, die nicht dem BWG bzw der CRD IV unterliegen, anzuwenden sind, wenn das Institut gewisse Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten ausführt oder die Mitarbeiter Tätigkeiten ausführen, die sich direkt und wesentlich auf das Risikoprofil oder die Geschäftstätigkeit der Institute innerhalb der Kreditinstitutsgruppe auswirken.
Präzisierung der Mitarbeiterkategorien
Detaillierter als bisher werden im BWG nun jene Mitarbeiterkategorien in beispielhafter Weise genannt, deren berufliche Tätigkeit sich jedenfalls wesentlich auf das Risikoprofil des Kreditinstitutes auswirkt (§ 39b Abs 2 BWG), wobei die folgende Aufzählung aus der schon bisher geltenden DelVO (EU) 604/2014 in modifizierter Form übernommen worden ist, sodass es hier zu keinen wesentlichen Neuerungen kommt:
- die Geschäftsleiter, die AR-Mitglieder und die Mitglieder des höheren Managements;
- Mitarbeiter mit Managementverantwortung für die Kontrollaufgaben oder wesentliche Geschäftsbereiche des Kreditinstitutes;
- Mitarbeiter, die im vorhergehenden Geschäftsjahr Anspruch auf eine Vergütung in beträchtlicher Höhe hatten, sofern folgende Bedingungen erfüllt sind:
- die Vergütung des jeweiligen Mitarbeiters betrug mindestens Euro 500.000 und entsprach mindestens der durchschnittlichen Vergütung der Geschäftsleitung, des AR und der Mitglieder des höheren Managements gemäß Z 1 und
- die jeweiligen Mitarbeiter üben die berufliche Tätigkeit in einem wesentlichen Geschäftsbereich aus, wobei es sich um eine Tätigkeit handelt, die sich erheblich auf das Risikoprofil des betreffenden Geschäftsbereiches auswirkt.
Ausnahmen
Neu ist, dass von diesen Grundsätzen der Vergütungspolitik die folgenden Institute einer Kreditinstitutsgruppe ausgenommen sind (§ 39b Abs 3 BWG):
- Tochterunternehmen mit Sitz in Österreich, die besondere Vergütungsanforderungen außerhalb des BWG anzuwenden haben,
- Tochterunternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, die besondere Vergütungsanforderungen nach Maßgabe anderer EU-Rechtsakte als der CRD IV anzuwenden haben, und
- Tochterunternehmen mit Sitz in einem Drittland, die besondere Vergütungsanforderungen nach Maßgabe anderer EU-Rechtsakte als der CRD IV anzuwenden hätten, wenn sie ihren Sitz in der EU hätten.
Geltungsbeginn
Die genannten Neuerungen gelten seit dem 29. Mai 2021.
Umfassende Expertise
Mit unserer umfassenden Expertise im Bereich des Finanzmarktrechts und aufsichtlichen Verfahren unterstützen wir Sie gerne bei der Implementierung der neuen Anforderungen.
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